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Menge 1990


FLUGBERICHT VOM 1990/06/01

- Flugbericht 1990/06/01 zum Herunterladen.

Fluggebiet: Sillian Osttirol
Fluggerät: ZEPHIR CX (1989)
Flugwetter: Leichte NW-Strömung in 4.000 m, starke Thermikentwicklung,
Basis ungefähr zwischen 4.000 - 4.400 m.
Flugziel: Trainingsflug, Blickrichtung Senioreneuropameisterschaft
Startplatz: Tessenberg (WSW-Rampe, 1.800 m)
Startzeit: 12.00 Uhr

Flugbericht:
Nach gelungenem Start in 1.300 m Höhe in einen Thermikschlauch mit
3 - 4 m Steigen eingestiegen und problemlos bis auf 4.000 m aufgekurbelt
(das Gerät ließ sich mit einer Hand steuern).
Nach Erreichen der Basis in 4.370 m in leichte Schleier eingetaucht (Schönwetterwolken, sehr
kalt). In 4.100 m Sicht großartig! Im Norden der Alpenhauptkamm vom Großglockner bis
Großvenediger und der Südtiroler Dreiherrenspitze, im Süden die Sextener Dolomiten,
Dreizinnen, die Sella - Gruppe und in der Ferne die Marmolada.
Gedanklich stelle ich mir mein Flugziel zusammen: nach dem Überfliegen der Hochgrabe
(2.952 m) zuerst Richtung NNO nach Huben und Kals, zum ungefähr 40 km entfernten
Großglockner, dann entlang des Alpenhauptkammes zum Großvenediger und zurück nach
Sillian. Gesamtfluglänge runde 100 Kilometer! Bei diesem Flugwetter ein Traum, aber
machbar.
Nach dem nutzlosen Versuch, einen nach mir gestarteten Fliegerkollegen durch winken und
schreien für meinen Flug zu begeistern, bin ich dann allein losgeflogen.
Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits 30 Minuten in der Luft. Ohne Schwierigkeiten erreiche
ich zusammen mit einem Steinadler die Hochgrabe und fliege ständig leicht an Höhe
gewinnend Richtung Huben und Kals.
Meine Flughöhe beträgt konstant 4.000 m.
Leider beginnt es nach dem Überfliegen der Felbertauernstraße stark zu bocken, auch die
Höhe kann ich nicht mehr halten und ich komme das erste Mal in ein Sinken.
Außerdem ist es noch immer fürchterlich kalt. Ich fotografiere Kals aus einem Winkel von 45
Grad und dann den Großglockner, bevor ich meinen Vogel Richtung Westen steuere. Die
Aussicht ist noch immer fantastisch, auch meine Höhe nimmt wieder leicht zu, aber die
Bockerei wird immer stärker.
Ich muss mich gewaltig am Steuerbügel anhalten, um einigermaßen meine Flugrichtung
halten zu können. Anschließend greift die NW-Strömung doch stärker durch, als zuerst
angenommen. Deshalb ist auch meine Entscheidung, nach 2 Stunden in großer Kälte
umzudrehen, relativ leicht.
Ich ziehe etwas stärker am Steuerbügel und nehme Fahrt auf und fliege nun mit dem Wind im
Rücken, mit ziemlich hoher Geschwindigkeit in Richtung Süden.
In kürzester Zeit überfliege ich Innervillgraten und kurze Zeit später bin ich In 3.300 m Höhe
im Drautal, genau über der Grenzstation.
Jetzt kommt es mir auch schon etwas wärmer vor, ab Talmitte komme ich in ein konstantes
Sinken von etwa 3 - 4 Meter.
Ich fotografiere den Helm und die Sillianer Hütte und versuche dann am Grat wieder Höhe zu
machen, aber da war nichts.
Ruhig, aber ständig geht es hinunter und ich werde gezwungen, nordseitig am Helm zu
fliegen, um nicht nach Sexten abzusaufen. Erst östlich der Sattelrampe komme ich in ein
leichtes Steigen von 1 Meter. Beim kurbeln sehe ich östlich von der Rampe einen Piloten über
mir. Ich gleite mit einem Nullschieber über die beiden vom Drautal herauf ziehenden Gräben
und versuche in den Bart des über mir fliegenden Kollegen einzusteigen.
Dabei passiert es!
Plötzlich reißt es mir mit großer Gewalt den bergseitigen Flügel in die Höhe in den
Messerflug. Ich gebe sofort nach und ziehe mein Fluggerät talseitig weg. In einer großen
Kurve fliege ich nahe an den Berg heran und versuche in Richtung Tal den Bart zentrisch
anzusteuern. Kaum 50 Meter vom Berghang weg erwischt es mich dann. Ohne Vorwarnung
reißt es mich senkrecht, mit völlig waagrecht liegendem Fluggerät in die Höhe. Mit starken
Steuerbügelausschlägen versuche ich aus diesem Hammerbart wieder herauszukommen.
Aber da war nichts! Nur mein Vario hat einen mir unbekannten Warnton nach oben
abgegeben. Ich selbst hatte das Gefühl wie mit einem aufgeblasen Regenschirm nach oben
gerissen zu werden. Nach etwa 400 Meter (später errechnet) neigte sich der Flügel 15 Grad
nach vorne unten (wie wenn man mit Skiern über einen Buckel fährt) und in der nächsten
Sekunde lag ich im Segel.
Der Horror bricht aus!
Wie verrückt schreie ich ins Funkgerät, ich stürze ab, ich stürze ab!!!!
Gleichzeitig warnt mich meine innere Stimme, nicht in Panik auszubrechen und das Beste aus
der Situation zu machen und bis zum Aufschlag um mein Leben zu kämpfen.
Der nächste Gedanke war der, dass ich unbedingt versuchen musste, vom Hang weg zu
kommen, um mehr Luft unter mich zu bekommen.
Da das Gerät weder gebrochen war, noch abschmierte, versuchte ich durch leichte
Gewichtsverlagerung, den Flügel in Richtung Talmitte zu steuern, was aber durch Rückenlage
und zu kurze Bewegungsfreiheit nicht gelang (nur 15 Zentimeter Aufhängungsspielraum).
Inzwischen begann das Fluggerät von sich aus in ein Rechtstrudeln überzugehen.
Jetzt hatte ich überhaupt keine Möglichkeit mehr der Steuerung.
Da war es an der Zeit, den Fallschirm zu werfen, wenn auch der Abstand zum Hang und zum
Boden ein sicheres Öffnen des Schirmes nicht erwarten ließ. Umso kräftiger schleuderte ich
den Schirm von mir, in der Hoffnung, er würde doch aufgehen und mich einigermaßen sicher
zur Erde tragen.
Aus meiner halben Rückenlage musste ich zusehen, wie das Fallschirmpaket nach unten fiel,
sich der Container wohl löste, der Schirm selbst aber sich nur einen halben Quadratmeter
öffnete.
Dieses Gebilde kam nun langsam zu mir herauf und wickelte sich, auf Grund immer schneller
werdender Drehbewegungen am Trapez auf. Verzweifelt versuchte ich mit der nur geringen
Reichweite den Schirm vom Gestänge zu bekommen. Umsonst, es ging nicht!
Dann plötzlich ein kurzes Zischen, ein Strich, rummps.
Ich bin mit meinem Gerät in den Schroffen aufgeschlagen.
Benommen stelle ich fest, dass Ich noch lebe!!! Ich bin nicht einmal bewusstlos.
Ein Wahnsinn!!!! Meine Gedanken beginnen wieder zu arbeiten.
Ich erkenne, dass ich halb stehend, halb hängend an meinem Fluggerät mit der
Oberverspannung, die sich an einem Wurzelstock verhängt hat, am Steilhang aufgeschlagen
habe.
Vorsichtig beginne ich mich zu untersuchen und stelle im rechten Beckenbereich eine nicht
offene Verletzung fest. Der rechte Fuß baumelte nur in der Oberschenkelmuskulatur.
Mit den Packbändern des Drachens fixiere ich den verletzten Fuß am Gesunden.
Inzwischen beginnt auch der Schock zu arbeiten. Der Kreislauf spielt verrückt und es wird
mir schlecht. Ich muss meine ganze Kraft zusammen nehmen, um durch starkes Atmen
meinen Körper unter Kontrolle zu bekommen.
Plötzlich erinnere ich mich meines Funkgerätes. Doch wo ist die Antenne? Diese war am
Turm montiert, also muss sie irgendwo bei meinen Füßen liegen. Da lag sie auch. Vom Turm
abgebrochen, aber noch intakt.
Nach einer schmerzhaften Bewegung habe ich sie in der Hand, montiere sie und mein erster
Hilferuf erreicht meine Freunde. Diese haben schon sehr nervös auf ein Lebenszeichen von
mir gewartet, noch dazu, wo sie life den Absturz am Funkgerät mitgehört haben.
Sie haben schon das Schlimmste angenommen.
Nach einer kurzen Schilderung meines Zustandes verständigen sie den
Rettungshubschrauber. Dieser kam nach kurzer Zeit und eine mühevolle
Bergung begann (Absturz 14.30, Krankenhaus Lienz 17.00 Uhr).
An dieser Stelle muss ich mich bei allen Beteiligten der Rettungsaktion bedanken. Mein
besonderer Dank geht aber an den Piloten und den Bergretter, die unter Einsatz ihres Lebens
mich aus dieser Situation befreiten und ins Spital brachten.
Am nächsten Tag wurde der nur leicht beschädigte ZEPHIR CX von meinen Freunden in
einer schwierigen und äußerst gefährlichen 10stündigen Bergeaktion zu Tal gebracht. Ihnen
gilt mein besonderer Dank, da sie statt am Himmel zu hängen, als Nichtbergsteiger ihr
Bergführerdiplom machten!!!!
Nicht zuletzt muss ich mich auch noch bei meiner “JULIA“‚ dem ZEPHIR CX bedanken,
dass ich noch lebe, denn er oder besser sie trug mich auch noch in Rückenlage in ein neues
Leben!!!!!!!

Euer Menge - Gerhard Darnhofer
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